»Das ist ein harter Vorwurf, den wir so nicht stehen lassen können«

Giovanni di Lorenzo, Ullrich Fichtner und zwei Relotius-Protagonisten


Ist das eine Kritik am »Spiegel« oder an der Zunft?
»Das gilt für jedes Blatt, auch für uns. Ich rede hier nicht als jemand, der keine Fehler gemacht hat, dessen Blatt keine Fehler gemacht hat oder der gar moralisch überlegen ist. Bei Ihnen sind, würde ich sagen, gewisse Formen der Überhöhung besonders ausgeprägt – jenseits des Stilistischen. Dürfen wir darüber reden?«

Legen Sie los.
»Sie neigen dazu, einen Sachverhalt möglichst attraktiv zu dramatisieren. Dabei hilft Ihnen etwas, das ›Spiegel‹ von den meisten anderen Blättern unterscheidet und worauf wir nur mit Neid und Anerkennung schauen können: Sie haben eine unglaubliche Recherche-Power. Sie können alles daransetzen, etwas rauszufinden. Doch beim Schreiben, meine ich, lassen Sie dann einen Teil der Recherche oft raus zugunsten einer besonders schlüssig oder plausibel klingenden Geschichte.«

Sie haben sicher ein Beispiel.*


1.* 
Eigentlich wollte der »Spiegel« Giovanni di Lorenzo befragen. Doch dem Chefredakteur der »Zeit« brennen selbst ein paar Fragen zum absurden Fall von Claas Relotius auf der Zunge – vor allem kritische. // »Warum gehen nicht irgendwann die Alarmglocken an?«

2. »[…] Sie können nicht jetzt mit faktisch kursorischen Vorwürfen um die Häuser ziehen. Da möchte ich ein wenig mehr Fleisch, wenn Sie mir so kommen. Weil so kommen wir nicht weiter.« Das sind keine kursorischen Vorwürfe. »Herr Meier, natürlich haben wir wahrscheinlich … oder wir werden sehen … ein systemimmanentes Problem. […]« Ullrich Fichtner wird ab Januar 2019 zur »Spiegel«-Chefredaktion gehören. Er schrieb den stark emotional gefärbten Beitrag zur Aufdeckung des hausinternen Falls Claas Relotius. Die »Welt«-Redaktion findet nicht nur den Ansatz des Artikels fragwürdig. // »Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel«

3. Wann haben Sie sich entschlossen, den »Spiegel« zu kontaktieren? »Als der Artikel 2017 erschien, richtete ich einen Tweet an Claas Relotius. Ich schrieb ›Warum bist du in unsere Stadt gekommen, um Fiktion zu schreiben?‹ Niemand reagierte darauf. Es herrschte Stille.« Ein Blick in ihre Tweets hätten dem »Spiegel« ein Jahr Fake-Reportagen erspart. Die Redaktion bemüht sich, in diesem Gespräch möglichst an Aufklärung interessiert zu sein; doch es klingt zu sehr nach Ablenkung vom eigenen Versagen. // »Zu perfekt, um wahr zu sein«

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