Slavoj Žižek, ein Tech-Entwickler und Drogendealer
Herr Žižek, alles klar?
»Ach Gott, ja, wir wollten reden. Ich bin gerade etwas in Panik, ich muss ein paar Manuskripte zu Ende schreiben und mich auf diese dümmliche Veranstaltung in Toronto vorbereiten.«Sie treffen dort mit Jordan Peterson zusammen, dem neokonservativen Vordenker einer neuen Männlichkeit. Warum begeben Sie sich eigentlich in die Höhle des Löwen?
»Ganz einfach: Er hat mich provoziert, und ich habe die Provokation angenommen. Ich bin schliesslich kein Feigling. Wenn du einen Fight haben willst, dann sollst du ihn bekommen.«[…]
Nun klingen Sie ja selbst schon fast wie Peterson!
»Um Himmels willen, nein. Ich bin die Alternative zu Peterson. Was ich sage, ist trivial. Es lässt sich im ›Kommunistischen Manifest‹ nachlesen. Da steht: ›Die Bourgeoisie hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört.‹ […]«Der Punkt ist aber, dass sich Peterson auch auf evolutionsbiologische Erkenntnisse stützt.
»Dagegen habe ich im Grundsatz nichts einzuwenden – kein vernünftiger Mensch kann leugnen, dass es biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt, die auch deren Verhalten teilweise prägen. Wenn Peterson gegen jene herzieht, die das Geschlecht und die sexuelle Orientierung als Objekt einer freien Wahl darstellen, dann hat er mindestens zur Hälfte recht. Denn so einfach ist es nicht – und auch nicht so harmlos. Der Mensch taucht ja ziemlich spät auf in der Evolution und ist ein seltsames Wesen. Es zeichnet sich durch etwas völlig Neues aus, das wir bis heute nicht genau verstehen – wir nennen es Freiheit. Aber das heisst nicht, dass sich jeder Mensch sozusagen aus freien Stücken völlig neu erschafft. Wer so daherredet, ist ein Ideologe. Bezogen auf Ihr Beispiel: Natürlich gibt es biologische Männer, die sich als Frau fühlen, und das ist ein menschliches Phänomen. Zugleich ist dies aber keine absolut freie Wahl des Individuums – es ist gewissermassen eine erzwungene freie Wahl, die mit viel Leid verbunden ist. Ich wähle mein Geschlecht und meine Orientierung nicht so aus, wie ich in der Bäckerei meine Lieblingstorte auswähle. Das ist es, was viele Gender-Theoretiker einfach nicht begreifen wollen.«*
1.* Es gibt wenige Menschen, denen man bei längeren Ausschweifungen nicht ins Wort fallen will, nur um einen Punkt zu machen. Slavoj Žižek ist so jemand. Der Philosoph zeigt im Gespräch nämlich immer wieder auf, das so ziemlich alles grau ist – weit, weit weg vom Schwarz-Weiß-Denken. // »Ich bin die Alternative zu Jordan Peterson«
2. Das ist schon wieder Spekulation, oder? Mir scheint, als würden Realität und Phantasie ständig verschwimmen, wenn Sie sprechen. »Da haben Sie einen Punkt, das stimmt. Aber anderseits sehen wir täglich: Die Algorithmen werden immer smarter.« Sie arbeiten im Feld der Computerlinguistik, also an der Schnittstelle von Sprachwissenschaft und Informatik. Ganz konkret: Wo stehen Sie da? »[…] irgendwann werden wir einen selbstlernenden Algorithmus haben, der alle Sprachen gleichermassen beherrscht – einen einzigen Algorithmus für alle menschlichen Sprachen!« Halt – das ist schon wieder Zukunftsmusik. René Scheu bleibt seinem Interviewpartner dicht auf den Fersen, wenn es darum geht, im Hier und Jetzt zu denken. Trotzdem fasziniert es, wie Tech-Entwickler Sam Ginn eine Begeisterung für etwas hegt, das »in zwei oder zwanzig Jahren« erst da sein wird – und das auch nur vielleicht. // »In absehbarer Zeit werden Maschinen Auto fahren, Texte schreiben und Alltagsprobleme lösen«
3. Wie definierst du Kundschaft, die sich leicht bescheißen lässt? »Das sind immer richtige Arschlöcher. Leute, die dich nur als reinen Kokslieferanten sehen. Dein Privatleben und deine Probleme sind ihnen scheißegal, sie wollen nur den Stoff.« Sarah Perrin hat für Vice herausgefunden, welche Kunden von Drogendealern über den Tisch gezogen werden. Denn Dealer sind sensibel – Arschlöcher mögen sie nicht. Aber auch keine netten Leute. // Drogendealer erzählen, mit welchen Methoden sie Ahnungslose bescheißen